Mitteilung 09.06.2020

Piloteninterview – Matthew Hartkop – von der US-Navy zu Pilatus

Matthew «Fish» Hartkop ist Teamleiter der Abteilung Experimental Flugversuche und testet unter anderem neu entwickelte Flugzeuge bei Pilatus. Was er in seiner Karriere bereits alles erlebt hat, erzählt er uns im Piloteninterview. Pilatus Flugzeugwerke AG

«Fish» ist ein ungewöhnlicher Name für einen Piloten. Wie bist du dazu gekommen?
Alle Piloten bekommen in ihrer Anfangszeit einen Spitznamen. Ich war damals in der US-Navy auf einem Flugzeugträger. Jede Landung wird auf Video aufgezeichnet und bewertet. Einmal war mein Anflug sehr wacklig. Meine Vorgesetzten meinten anschliessend, ich sei wie ein schwimmender Fisch geflogen. That’s it!

Du flogst für die US-Navy und bist auf Flugzeugträgern gelandet. Was führte dich in die Innerschweiz zu Pilatus?
Im Rahmen eines zweijährigen Austauschprogramms fliegt jeweils ein F/A-18-Pilot aus der Schweiz in der Trainingsstaffel der US-Navy und ein amerikanischer Pilot in der Schweiz. 2003 bis 2005 war ich dank diesem Programm in der Schweiz als Fluglehrer und Staffelpilot tätig. Damals war ich in der Staffel 11 – in der gleichen Staffel wie Obi (Reto Obrist, Testpilot bei Pilatus). In dieser Zeit habe ich auch Aeschli (Reto Aeschlimann, ehem. Testpilot bei Pilatus) kennengelernt. Zurück in den USA rief mich Aeschli 2007 an und meinte: Es gibt eine Stelle bei uns. Willst du?

Und du wolltest. Was hat dich an Pilatus gereizt? Es ist ja schon ein Unterschied F/A-18 zu fliegen oder hier als Testpilot zu arbeiten.
Damals war der PC-21 neu. Natürlich ist das ein anderes Flugzeug als die F/A-18, aber die Arbeit unterscheidet sich nicht gross. Der PC-21 ist ein hervorragendes Trainingsflugzeug und ermöglicht es Piloten, anschliessend direkt auf einen Jet umzusteigen.  

Hast du in der Navy auf Flugzeugträgern gelebt?
Ja, das habe ich. Man trainiert bei der Navy jahrelang, um einmal tatsächlich im Einsatz stehen zu können. Man lebt auf Flugzeugträgern – zusammen mit bis zu 5500 anderen Menschen. Man ist ungefähr sechs Monate unterwegs. Mein längster Einsatz dauerte allerdings fast achteinhalb Monate. 

Bist du auch reale Einsätze geflogen?
Ja, 1999 war ich im Irak stationiert und Teil der Operation «Southern Watch». Es herrschte kein Krieg. Unsere Aufgabe war es, die sogenannte «No Fly»-Zone zu schützen. 2001 war ich ausserdem auf der USS Enterprise in Afghanistan. Auf dem Weg nach Hause – es war der 11. September 2001 – mussten wir mitten auf See wenden und zurück nach Afghanistan fahren. Die anschliessenden Einsätze waren sehr anstrengend und herausfordernd. Wir hatten teilweise sehr lange Flüge in der F/A-18 zu absolvieren – mein längster dauerte ganze neun Stunden. 

Welcher Flugzeugtyp gefällt dir eigentlich besser – der PC-21 oder die F/A-18?
Das ist schwierig. Das eine Flugzeug kostet fast zehnmal so viel. Das wäre wie ein Formel 1 Wagen mit einem kleinen Sportwagen zu vergleichen. Beide Flugzeuge sind schnell, beweglich und es macht Spass sie zu fliegen.

Was gefällt dir an deiner Arbeit bei Pilatus am besten?
Pilatus ist wirklich einzigartig. Mit am besten gefällt mir die Zusammenarbeit mit so vielen talentierten Menschen. In jedem Bereich sind engagierte Personen tätig, die schlussendlich alle im Team arbeiten, um grossartige Flugzeuge zu entwickeln, zu zertifizieren und auszuliefern. Zudem befindet sich alles an einem Ort. Wir können zum Beispiel mit dem Design Engineer sprechen oder in der Produktion etwas nachfragen. Und schlussendlich ist die Arbeit als Pilot – ich mache Testflüge auf allen Flugzeugen – äusserst spannend. Wir sind hier wie eine Fliegerstaffel: Kollegialität wird bei uns grossgeschrieben. Wir machen unsere Arbeit gern und geben immer unser Bestes. 

Was ist das Spezielle an deinem Job bei Pilatus?
Die Vielseitigkeit. Als Testpilot bei einer grossen Firma arbeitet man oft auf nur einem Flugzeug, vielleicht sogar nur auf einem Teilprogramm. Bei Pilatus machen wir alle alles. Gestern absolvierte ich einen Produktionstestflug mit einem neuen PC-24. Letzte Woche lieferte ich mit einem PC-12 Güter nach England und vor einigen Wochen flog ich einen «Experimental Testflug» mit einem PC-21. 

Welche Flugzeugtypen hast du – nebst unseren eigenen – sonst noch pilotiert? 
Ich bin mit über 90 verschiedenen Flugzeugtypen geflogen. Das Beste war die F/A-18 Super Hornet, mit der ich 2007 zum letzten Mal flog. Was mir noch fehlt ist die P-51 Mustang. Mit diesem Oldtimer-Flugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg möchte ich gerne mal fliegen.  

Was war dein bisher schwierigster Flug?
Ich würde sagen, die sogenannten «Flutter-Testflüge» sind das Schwierigste. Solche habe ich mit dem PC-12, dem PC-21 und dem PC-24 bereits durchgeführt. Dabei hat man nur einen ganz kleinen Zeitrahmen – zwischen sechs und acht Sekunden – um die richtigen Testresultate zu erfliegen. Wenn es nicht klappt, muss man den gesamten Test an einem anderen Tag wiederholen. Und das wollen wir natürlich vermeiden.  

Und was war dein absolut schönster Moment?
Der schönste Moment ist eigentlich, wenn ich über den Wolken fliege, die Berge und den Sonnenuntergang sehe. «Cloudsurfen» ist schon der Wahnsinn. 

Könntest du theoretisch ein Flugzeug von Pilatus auf einem Flugzeugträger starten oder landen – unsere Flugzeuge sind ja perfekt für kurze Pisten?
Mit den Kurzstart- und Landeeigenschaften des PC-6 wäre es theoretisch möglich. Aber in der Praxis geht es nicht. Die notwendige Beschleunigung kriegen unsere Flugzeuge nie hin. Auch eine Landung ist nicht möglich. Die Jets haben einen Haken, der bei der Landung an Seilen einhängt. Dieser ist bei unseren Flugzeugen nicht vorhanden. Wenn man auf einem Träger landet, stoppt man innerhalb von 100 Metern – von 132 Knoten (250 km/h) auf Null. Die F/A-18 der Schweizer Luftwaffe könnte das, mit dem PC-21 ist es jedoch nicht möglich. 

Kunden, die mit dir mitfliegen durften, schwärmen von dir. Was ist dein Geheimrezept?
Wenn ich mit einem Kunden fliege, versuche ich herauszufinden, was ihm wichtig ist. Unsere Produkte sind super, da muss ich nichts dafür tun. Wenn man das Flugzeug richtig kennt, kann man ganz gut zeigen, was der Kunde will. Einige interessieren sich für den Komfort in der Kabine, andere wollen genau wissen, was das Flugzeug leisten kann und fliegen im Cockpit mit. 

Und dann fliegst du mit ihnen wie mit dem Flugzeugblogger und YouTuber Sam Chui?
Ja, er flog mit mir im PC-24 Cockpit von Stans nach Gstaad, das war wirklich ein toller Flug. Er hat dabei für seinen YouTube-Kanal gefilmt. Es ist unglaublich wie viele Leute mich darauf ansprechen. Ich glaube das Video hat jeder gesehen. 

Letzte Frage, wenn du jetzt wählen müsstest: Hamburger oder Fondue? 
«Fondueburger». Nach einem Tag auf der Skipiste sicher Fondue, aber im Sommer beim Barbecue natürlich einen Burger.  

Vielen Dank für die tollen Einblicke, Fish!