Piloteninterview – Abenteuerliche Überführungsflüge
Im Mai 1994 besuchte Gary während seiner Europareise die Pilatus Flugzeugwerke in Stans. Dass dieser Tag der Beginn einer langen und wunderbaren Zusammenarbeit wurde, dachten damals wohl beide Seiten nicht. Bis heute führt der mittlerweile pensionierte Pilot noch Überführungsflüge durch.
Du bist bekannt dafür, reichlich Erfahrung mit Flugzeugüberführungen zu haben. Wie viele Überführungsflüge hast du insgesamt von Stans nach Australien absolviert?
Ich habe insgesamt 17 Überführungsflüge, 15 PC-12 und zwei PC-24 von Stans nach Australien durchgeführt. Ein spezielles Erlebnis war natürlich mein erster Überführungsflug im Oktober 1995, zusammen mit drei anderen Piloten. Der letzte war im Oktober dieses Jahres.
Was reizt dich besonders an diesen Überführungsflügen?
Ganz klar die Abwechslung. Jeder dieser Flüge bietet jeweils andere Herausforderungen: Streckenführung, Wetter, geopolitische Situation und jedes Mal hatte ich einen anderen Piloten in der Besatzung. Die meisten Piloten machen bei diesen Flügen ihre ersten Erfahrungen im Ausland. Es ist schön, dass ich ihnen mein Wissen weitergeben kann. Bei meinem ersten Überführungsflug führte die Route über Syrien, was heutzutage nicht mehr möglich ist. Die Anwesenheit des Eigentümers an Bord führte zu einigen interessanten Zwischenstopps: Tiflis, Catania, Tel Aviv, Agra, Sandakan, um nur einige zu nennen.
Verlaufen die Überflüge immer nach Plan oder kommt es teilweise auch zu ungeplanten Ereignissen?
Die gibt es tatsächlich. Corona beispielsweise hatte einen grossen Einfluss auf die Streckenführung. Aufgrund der Beschränkungen in Indien konnten wir bei einem Flug nicht über Nacht bleiben. «Leider» mussten wir über die Malediven fliegen und einen Ruhetag auf der Insel einlegen. Unsere Etappe von Muscat auf die Malediven dauerte sieben Stunden und 15 Minuten und war damit die längste Etappe unserer Reise. Ich kann den Komfort der neuen Executive-Sitze im PC-12 NGX bestätigen – ein hervorragender Ruhebereich für die Crew.
Wie hat Corona deine Reise von Adelaide nach Stans und zurück beeinflusst?
Die für die Ausreise und die Rückkehr nach Australien erforderlichen Unterlagen waren im Vergleich zu unseren Erfahrungen in anderen Ländern beim Rückflug sehr mühsam. Die Mitarbeitenden von Pilatus Australia Pty Ltd mussten sich sehr bemühen, um die erforderlichen Genehmigungen zu erhalten. Ein Zeichen der Corona-Welt – auf unserem Flug von Adelaide nach Doha, Katar flogen sechs Passagiere in der Business Class und 30 Passagiere in der Economy Class.
Du fliegst sowohl den PC-12 als auch den PC-24. Welcher ist dein persönlicher Favorit?
Das ist eine schwierige Frage. Ich fliege den PC-12 seit Juni 1995 und den PC-24 seit Juni 2018. Jedes Flugzeug ist einzigartig und aufregend und ich geniesse es, beide zu fliegen. Da ich in Australien lebe, sind das Klima und die Topografie ganz anders als in den meisten anderen Teilen der Welt. Die sehr heissen Sommer sorgen für schwierige Bedingungen. Die beiden Pilatus Flugzeuge bieten da die perfekte Unterstützung.
Wann hat dich das «Luftfahrtfieber» gepackt?
Seit meiner Kindheit wollte ich fliegen. Mit fünfzehn Jahren genoss ich meinen ersten Flug in einem Segelflugzeug und war sofort begeistert. Ich konnte aber erst mit 29 Jahren mit der Flugausbildung beginnen. Zu dieser Zeit war ich als Polizeibeamter im Northern Territory tätig. Es gelang mir, zur Polizeifliegerstaffel zu wechseln und mit 37 Jahren meine Karriere als Berufspilot zu starten. Das tat ich drei Jahre lang, bevor ich zum Royal Flying Doctor Service (RFDS) wechselte.
Ich war in Alice Springs stationiert, ehe ich nach Adelaide zog. Beim RFDS begann ich die Ausbildung und startete meine Karriere auf dem PC-12. Nach fast zehn Jahren verliess ich den RFDS und ging zur Civil Aviation Safety Authority (CASA) als Flugbetriebsinspektor. Während der nächsten acht Jahre arbeitete ich viel für Pilatus Australien, unter anderem in den Bereichen Pilotenausbildung, Überführungsflüge und Vorführungen.
Und wie kam es zur Festanstellung bei Pilatus?
Eines Tages erhielt ich einen Telefonanruf von Sebastian Lip, dem CEO von Pilatus Australien. Mein erster Gedanke war, dass er mich bitten würde, in den Ruhestand zu gehen. Stattdessen bot er mir eine Vollzeitstelle als Chefpilot an. Zunächst lehnte ich ab, aber als er erwähnte, dass die Stelle eine Musterberechtigung für den PC-24 beinhaltet, zögerte ich nicht weiter. Es war ein Privileg, an der Einführung des PC-24 in Australien beteiligt zu sein. Nachdem die Einführungsphase abgeschlossen war, entschied ich mich, meine Vollzeittätigkeit aufzugeben und in den Halbruhestand zu gehen.
Was machst du gerne, wenn du mal nicht in einem PC-12 oder PC-24 sitzt?
Ich reise gerne mit meiner Frau um die Welt. In den letzten zwei Jahren waren unsere Pläne aus bekanntem Grund eingeschränkt. Das hat uns die Möglichkeit gegeben, unseren eigenen Hinterhof zu erkunden. Bei schönem Wetter schwinge ich mich gerne auf mein Fahrrad oder verbringe Zeit auf dem Golfplatz.
Lieber Gary, vielen Dank für den spannenden Einblick in dein Pilotenleben.